Der Kämpfer mit Unternehmer-Gen.

„Jab, Jab, und Punch“ – hallt es durch den Kemptener Boxing Club in der Prälat-Götz-Straße. Ali Celik ist in seinem Element. Er dirigiert, korrigiert und motiviert. Hier noch ein Tipp zu Atmung und Schlagrhythmus, dort ein aufmunterndes Gespräch, bevor es in die nächsten drei Minuten geht am Boxsack geht. Man spürt die pure Leidenschaft des in Kempten geborenen Deutsch-Türken, der einige hundert Meter weiter das Dynamic Gym in der Memminger Straße zu seinem weiteren Portfolio zählt. Die Geschichte von Ali Celik ist so bodenständig wie inspirierend, dass man schon alleine für den Mut und den unglaublichen Willen des Kämpfers, der sein Unternehmer-Gen erst selbst erkennen musste, um es nun endlich ausleben zu können, absoluten Respekt zollen kann.

Zwischen einer eigenen Personal-Training-Boxstunde – übrigens für jeden Unternehmer nur zu empfehlen – und der Kampfvorbereitung eines seiner Schützlinge treffen wir einen gut gelaunten Ali Celik zum Austausch. Mit dem Boxsport kam der kleine Ali durch seinen Onkel in Berührung. „Ich wollte aber eher Fußball spielen. Bei mir zuhause war das Thema Vereinssport nie präsent, deshalb habe ich dann auch mit dem runden Leder angefangen. Und schnell gemerkt: das ist nichts für mich“, erzählt Celik, der sich vor allem ‚etwas ungerecht behandelt‘ gefühlt habe. „Ich habe was gebraucht, bei dem ich auf mich alleine gestellt war. Allein kämpfen, allein gewinnen – aber auch allein Verantwortung für die Niederlage übernehmen, das war meines“. Ali Celik boxte dann ab dem 10. Lebensjahr unter TV Kempten-Legende Horst Witterstein und baute eine enge Beziehung zu seinem Trainer auf, fand einen Freundeskreis, der sich im positiven Sinne konkurrierte und dem geschuldet Ali Celik auch der Ehrgeiz für Box-Wettkämpfe packte. Mit 12 Jahren boxte er seine ersten Kämpfe, die alle verloren gingen. Ein viel höheres Trainingspensum aber führte dazu, dass der Kemptener mit 15 deutscher Meister wurde.

„In der Pubertät habe ich es dann leider etwas schleifen lassen, war dementsprechend nicht mehr so erfolgreich – es reichte für Bayerische oder Deutsche Meisterschaften, für die Elite aber fehlten Pensum und dann auch die Zeit“, erzählt der heute erfolgreiche Unternehmer. Er habe leider auch nie jemand an der Seite gehabt, der ihm den Weg in den Profisport ebnen hätte können, so wie Celik es jetzt bei einigen Athleten tut und diese bis in die Weltspitze führt. Celik wechselte mit 19 Jahren nach Kaufbeuren. Der dortige Trainer Alexander Buschel wurde beim BC Kaufbeuren zur Galionsfigur und brachte auch Celik „boxtechnisch“ nochmals auf ein neues Niveau. „Ich habe von ihm die russische Boxschule, Strukturen und viel über das Training gelernt“, so Celik über den gebürtigen Kasachen Buschel.

Eine Dame aus seinem Umfeld, welche in Celik immer mehr sah, als den Boxer, der tagsüber als Arbeiter an einer Maschine sein Geld verdiente, war Ali´s ältere Schwester. Sie motivierte ihn – damals noch vergebens – den Schritt zur Selbstständigkeit zu wagen. Im Jahr 2013 dann der Schicksalsschlag, als seine Schwester bei einem Autounfall auf der Bundesstraße 12 verstarb. Auf die unendliche Trauer über den Verlust kam in Ali Celik der tiefe Wille auf, etwas zu ändern. „Der Unfall hat vieles in mir bewegt. Ich hatte und habe seither keine Angst mehr, etwas falsch zu machen, habe verstanden, dass das Leben kurz ist und auch schnell vorbei sein kann. Deshalb habe ich dann meinen Job gekündigt und mich selbstständig gemacht“. Bei Ebay Kleinanzeigen fand Ali Celik eine Halle – und legte mit unnachahmlicher Unterstützung seiner Frau Elena, fünf Boxsäcken, einem unterstützenden Freundeskreis und vor allem ganz viel Mut und Weitblick einfach mal los. Auf die ersten verkauften Monatsabos folgten recht schnell an die 200 Boxschüler – und die Halle wurde zu klein. In der Memminger Straße koppelten Elena und Ali Celik dann Boxen und das Dynamic Gym in 2017 – und trennte es vergangenes Jahr wieder. Das Dynamic Gym in der Memminger Straße ist heute so ein reines Fitnessstudio, die Prälat-Götz-Straße vereint ein Kampfsportstudio für die allgemeine Fitness. Denn eines ist und bleibt von Anfang an gleich: Celiks Angebot richtet sich vor allem an Hobbysportler.

Das bedeutet aber nicht, dass Ali Celik nach seinem eigenen Karriereende den Bezug zum Profisport verloren hat. Im Gegenteil. Einige namhafte Boxer, darunter der aktuell beste deutsche Halbschwergewichtler, trainieren oder trainierten unter Ali Celik, der seine Erfahrung hier weitergeben darf. Das Fundament, auf dem der gesamte Erfolg aufbaut, sind die beiden Studios, aus welchen alle weiteren Dinge entstanden sind. Fragt man Ali Celik nach dem Geheimrezept für den Erfolg, wird dieser sehr demütig. „Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, habe alles selbst aus dem Boden gestampft. Wäre meine Schwester nicht ums Leben gekommen, hätte ich aber nie den Mut aufgebracht, diesen Schritt zu wagen. Heute und auch durch das Boxen, habe ich keinen Respekt auch vor großen Entscheidungen und gehen voran“, sagt Ali Celik. Er ist halt ein Kämpfer. Aber einer mit Unternehmer-Gen, der die Grenzen im Kopf zur rechten Zeit aufgehoben hat.

Autor: Marcel Reiser

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